Laufende Projekte

Hermeneutische Ungerechtigkeit im Städtebau

Von Tea Lobo

Das moderne Rätsel, wie man gerechte Städte für viele Menschen bauen kann, gewinnt angesichts der rasant steigenden Urbanisierungsraten in der Welt an Dringlichkeit. Das Ziel der Vereinten Nationen lautet "Städte für alle". Aber sollten Städte für alle Menschen da sein? Oder für alle Lebewesen auf ihrem Territorium? Wie können wir Städte bauen, die sowohl den schwächeren menschlichen Gruppen als auch den Tieren, Pflanzen und vielleicht sogar den Mikroorganismen gerecht werden? In Anbetracht der Tatsache, dass die heutigen Entscheidungen im Bereich der Stadtgestaltung unsere hochgradig urbane Zukunft in 30 Jahren beeinflussen werden, ist es wichtig, solche grundlegenden Fragen zu stellen. Zwar gibt es Fortschritte bei der Einbeziehung von Frauen oder Behinderten in die Stadtplanung, doch gibt es immer noch blinde Flecken. Dazu gehören Stadtbewohnende mit einer radikal anderen Lebensform, wie z. B. urbane Sammler, die auf ihr Wissen über lokale ökologische Systeme und nicht über globale Versorgungsketten angewiesen sind, ebenso wie nichtmenschliche Lebewesen. Der Bedarf an einer ethischen Überprüfung der Produktion von Wissen darüber, was gerecht für die Stadtbewohnende ist, wächst, da immer dichtere Lebensbedingungen die Stadtgrenzen auflösen, Städte miteinander verschmelzen und radikal unterschiedliche Lebensformen aufeinanderprallen lassen, von denen einige systematisch übersehen werden, selbst wenn nicht klar ist, wie nicht-menschliche Wesen in die Stadtplanung einbezogen werden können.

In diesem Projekt wird ein deutlich erweitertes Konzept der hermeneutischen Ungerechtigkeit (Fricker 2007; 2017) verwendet, um die epistemischen blinden Flecken in der Stadtgestaltung zu analysieren, die sich auf verletzliche alternative menschliche Lebensformen und nicht-menschliche Stadtbewohnende beziehen. Frickers Rahmen bietet einen geeigneten Ausgangspunkt, um die normativen Dimensionen unserer (selbst-)interpretativen Praktiken zu untersuchen. Wir werden ihn anwenden, um zu analysieren, wie vermeintliches Wissen darüber, was gerecht für Stadtbewohnende ist, ethische Implikationen hat, da es die Bedürfnisse bestimmter Gruppen ausschließen oder verzerren kann. Der erweiterte Ansatz des Projekts in Bezug auf epistemische Ungerechtigkeit geht über Frickers Fokus auf die menschliche Welt hinaus und fragt, wie epistemische Praktiken auch anderen Lebewesen, wie Pflanzen, Tieren und Grenzfällen wie Mikroorganismen, Unrecht tun können. Auf diese Weise wird die hermeneutische Ungerechtigkeit auch mit Fragen der ökologischen und sozialen Ungerechtigkeit verknüpft.

Gründe, Verantwortung und die Ethik des Klimawandels

Von Franz Altner

Das Forschungsprojekt lotet die Frage aus, ob Gruppen, wie Unternehmen und Staaten, autonom handeln und an einem moralischen Diskurs teilnehmen können oder ob sie eher Werkzeugen gleichen, deren institutioneller Zweck ihre Handlungsfreiheit begrenzt. Sollten wir Unternehmen, die aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Umständen profitorientiert ausgerichtet sind, als moralische Personen auffassen, die für ihr Handeln vollumfänglich verantwortlich gemacht werden können und was bedeutet das für unseren Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel? Um diese Fragen zu beantworten wird innerhalb des Projekts, mit den Werkzeugen der ‚Social Choice Theorie‘, eine funktionale, narrative Handlungstheorie entwickelt.

Indirekt mit diesen Fragen verbunden, ist die allgemeinere Frage nach der Natur unserer Gründe. Hängen unsere Gründe von unseren sozialen, kulturellen Umständen und Rollen ab? Wenn sie es tun, was impliziert der damit verbundene Wertepluralismus für die Möglichkeit sich auf gemeinsame Lösungen bei globalen Problemen wie dem menschengemachten Klimawandel zu einigen. Die letzte Frage soll mit den Mitteln der Diskurstheorie Habermas‘ und neuen Konzepte der Sozialontologie beantwortet werden.
 

Zukünftige Personen im Kantischen Kontraktualismus

Von Jens Gillessen

Dass im Handeln schon gegenwärtig auf noch nicht geborene, möglicherweise weit in der Zukunft lebende Personen Rücksicht zu nehmen ist, gilt mittlerweile weithin als ausgemacht. Doch wie ist diese Rücksichtnahme zu konkretisieren? Haben gegenwärtige Personen Gerechtigkeitspflichten in Bezug auf zukünftige Personen? Wenn ja, welches Gewicht und welche Tragweite haben diese Pflichten, wenn sie mit Pflichten gegenüber bereits existierenden Personen kollidieren? Das Projekt soll klären, ob sich eine Theorie vom Typus des sogenannten Kantischen Kontraktualismus konzipieren und verteidigen lässt, mit deren Hilfe sich diese Fragen systematisch und überzeugend beantworten lassen. Insbesondere soll geklärt werden, was eine solche Theorie auf dem Feld der Klimaethik zu leisten vermag.

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